24. Juli 2020 | CEO SpotlightIndustry Insights
Der illegale Handel mit Treibhausgasen aus unsicherer Quelle gefährdet Mensch und Umwelt. Damit bedroht er nicht nur den Erfolg der F-Gase-Verordnung und der globalen Klimaschutzziele. Seit dem Start des F-Gase-Phasedown sind synthetische Kältemittel eine heiß begehrte Ware, denn sie werden vom Gesetzgeber absichtlich verknappt. So sollen diese nach und nach komplett vom Markt verschwinden.
Aus gutem Grund: Gängige Kältemittel wie FKW oder HFKW stellen eine ernstzunehmende Gefahr für Umwelt und Menschen dar. In Kombination mit veralteter Kältetechnologie, der es an Energieeffizienz mangelt, werden sie zu einem wesentlichen Treiber des Klimawandels.
In diesem Blog-Beitrag erklären wir, wie es zu dem aktuellen Höhepunkt des illegalen Handels mit konventionellen Kältemitteln kommt, warum dieser den Kältemittel-Markt immens verzerrt und Gesetzgeber herausfordert und welche Auswege es gibt.
Die Problematik des illegalen Handels mit Kältemitteln ist eine ironische Wendung für die EU – denn letztendlich ist er ein Symptom ihrer erfolgreichen Politik. Die Europäische Union verfolgt einen ambitionierten Plan, um die Verwendung von klimaschädlichen fluorierten Gasen zu verringern und damit die Umstellung auf natürliche Kältemittel zu fördern. Seit 2015 bis 2030 soll die Menge der F-Gase, die in der EU im Umlauf sind, um 80 % CO2-Äquivalent gesenkt werden. Viele gängige Kältemittel werden komplett vom Markt verschwinden.
Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) sind künstlich hergestellte, hochpotente Treibhausgase, die Jahrzehnte in der Atmosphäre bleiben. Die gängigsten FKW sind zwischen 675 und 3.922 Mal klimaschädlicher als CO2.
Erreicht werden soll dies allerdings nicht mit Verboten, sondern einem schrittweisen Phasedown. Damit soll der Kältebranche viel Zeit gegeben werden, um ihre Technologien und Produkte an die neue Welt anzupassen. Der Phasedown verknappt und verteuert synthetische Kältemittel in aufeinander aufbauenden Phasen, sodass sie immer teurer werden und langfristig nicht mehr verfügbar sind.
In unserem Blog-Beitrag über die F-Gase Verordnung erfahren Sie mehr über den F-Gase-Phasedown und seine Auswirkungen auf den Markt der Kältemittel.
Zum ArtikelZu diesem Zweck wird jedem Unternehmen eine Quote zugeteilt, die entsprechend schnell ausgeschöpft ist. Das genannte Quotensystem sorgt dafür, dass immer weniger klimaschädliche F-Gase erhältlich sind. 2017 sorgte das bereits für Hamsterkäufe synthetischer Kältemittel, die heute teuer am Markt verkauft werden.
Das selbe Quotensystem befeuert zudem die illegalen Einfuhren von synthetischen Kältemitteln, denn Kühlung wird überall gebraucht. Folglich sind die Preise in der Kältebranche seit 2015 enorm angestiegen. Obwohl zwischenzeitlich gefallen, liegen sie weiterhin bei bis zu 900 % verglichen mit den Preisen im Jahr 2014. Dies schafft zwar den gewollten Anreiz für Hersteller und Abnehmer, auf klimafreundliche, natürliche Kältemittel umzusteigen. Kurzfristig führt es aber auch zu einer steigenden Nachfrage nach billiger, illegaler Importware aus dem nichteuropäischen Ausland und einem Schmuggel von F-Gasen der derzeit lukrativer ist als der Handel mit Drogen.
Die Lage ist ernst. Illegale eingeführte Kältemittel sind meist ungeprüfte Gemische, die eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Durch den anhaltenden, illegalen Import von Kältemitteln ist der Markt zudem vollkommen verzerrt. Hersteller synthetischer Kältemittel gehen davon aus, dass der Anteil illegal eingeführter Kältemittel 20 – 30 % des gesamten Marktes ausmacht.
Laut des Berichts Doors Wide Open der NGO EIA wurden 2018 rund 117,5 Mt CO2-Aequivalent an HFKW durch illegale Massenimporte auf den Markt gebracht wurden. Das sind etwa 16,3 Millionen Tonnen CO2 Äquivalent über der verfügbaren Quote und mehr als 16 % über der zulässigen Quote. In einer Reihe von Ländern sei ein besorgniserregender Trend zu einem deutlichen Anstieg der Importe im Zeitraum von 2016 bis 2018 zu verzeichnen, obwohl die HFKW-Quote 2018 gegenüber dem Ausgangswert um 37 % erheblich gekürzt wurde. Mehr als 80 % der Unternehmen geben an, über den illegalen F-Gase Handel informiert zu sein. 72 % wurden bereits Kältemittel in illegalen Einwegflaschen angeboten.
Die Europäische Kommission spricht zwar davon, dass das Ausmaß aufgrund inkonsistenter Daten schwer einzuschätzen sei und stuft den Phasedown weiterhin als erfolgreich ein. Gleichzeitig bestätigt sie allerdings die hohen HFKW Importraten.
Wussten Sie, dass ab 2030 auch Kältemittel mit niedrigem Treibhausgaspotential, sogenannte Low GWP, nicht mehr gesetzeskonform sind?
Zum ArtikelDer Gesetzgeber hielt sich zwar lange bedeckt, hat den Ernst der Lage aber inzwischen klar erkannt. In Deutschland ist die F-Gase-Verordnung in der Chemikalien-Klimaschutzverordnung umgesetzt. Diese schreibt Betreibern und Fachunternehmen die Rückmeldung der verwendeten Kältemittel vor. Das Ergebnis wird durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht. Illegale Kältemittelmengen tauchen hier nicht auf. Somit machen sich deutsche Betreiber und Fachunternehmen gegenüber der Chemikalien-Klimaschutzverordnung strafbar und können die Betriebslizenz verlieren.
In ganz Europa werden inzwischen Maßnahmen ergriffen. Die EU arbeitet mit dem EFCTC, kurz für European Fluoro Carbons Technical Committee, einem Zusammenschluss der größten Hersteller synthetischer Kältemittel, in den Bereichen Umsetzung, Sanktionen, Untersuchungen, Handelsfragen und steuerliche Auswirkungen zusammen. Kürzlich hat der Ausschuss sogar eine anonyme Hotline für die Anzeige illegaler F-Gas-Produkte und bei Verdacht des illegalen F-Gas-Handels eingerichtet.
Das Bewusstsein für die fatalen Folgen des Schwarzmarktes für Klima und Umwelt soll geschärft werden. Der illegale Handel mit FKWs untergräbt nicht nur die F-Gas-Verordnung und verringert die steuerlichen Einnahmen der Regierungen erheblich. Wussten Sie auch, dass das weit verbreitete Kältemittel R134a die Atmosphäre 1.430-mal so stark aufheizt wie CO2 bei gleicher Menge? Deswegen kann selbst eine vergleichsweise geringe Menge geschmuggelter HFKW-Treibhausgase enorme negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben.
Wussten Sie, dass das weit verbreitete Kältemittel R134a 1.430 Mal so stark wirkt wie CO2?
Sobald die verbesserten Überwachungsprozesse greifen ist allerdings ein abruptes Ende in Sicht. Konkret heißt das: Wenn die Kontrollen funktionieren, wird circa ein Viertel der synthetischen Kältemittel wegfallen, da illegal eingeführt. Dies wird die Verknappung der F-Gase innerhalb kürzester Zeit extrem zuspitzen und die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Anwender werden dann Notlösungen finden müssen und während der Umstellung auf klimafreundliche Kältemittel hohe Preise bezahlen.
Für Unternehmen wäre das schon schlimm genug, doch die eigentliche Gefahr liegt in der allgemeinen Verfügbarkeit. Viele Anwender werden sich sehr bald die Frage stellen müssen, ob es das von ihnen benötigte Kältemittel überhaupt noch gibt. Das Risiko einer Betriebsunterbrechung mit unabsehbaren Folgen rückt bedrohlich nahe.
Bis dato hatte der illegale Handel, zusammen mit der Anhäufung von FKW-Lagerbeständen im Jahr 2017 und dem falschen Versprechen der sogenannten Low GWP, bei den Unternehmen ein falsches Sicherheitsgefühl hinsichtlich der Verfügbarkeit von FKW trotz des Phasedown erzeugt. Tatsache ist, dass künftige Quotenkürzungen schwer zu erreichen sind, wenn der Übergang zu echten Alternativen in Form von natürlichen Kältemitteln nicht rasant beschleunigt wird. Dies wird inzwischen selbst von den großen Herstellern von Low GWPs bestätigt, die händeringend und bislang erfolglos nach neuen Alternativen suchen.
Die komplette Umstellung auf natürliche Kältemittel ist im Sinne der F-Gase-Verordnung langfristig unvermeidbar. Dem Schmuggel mit synthetischen Kältemitteln macht sie einen sofortigen Strich durch die Rechnung. Unternehmen, die Wasser als Kältemittel einsetzen arbeiten komplett losgelöst vom F-Gase-Phasedown mit einem in jeder Hinsicht ungefährlichen Kältemittel und sind nicht auf Lieferanten und die Marktlage angewiesen.
Wasser als Kältemittel ist überall verfügbar, klimaneutral, entlastet die Umwelt, stellt keine Gefahr für den Menschen dar und ist dauerhaft gesetzeskonform. Die Umstellung ist ein Kraftakt, der sich auszahlt – gegen illegalen Handel und für die Nachhaltigkeit, die Wirtschaftlichkeit und das Klima.
So ist in der Kältebranche im Gegensatz zu vielen anderen Industriezweigen das Thema Nachhaltigkeit nicht einmal schwer umzusetzen. Anders als CO2 sind FKWs kein Beiprodukt, das in Verkehr, Industrie oder Haushalten entsteht. F-Gase werden gezielt für bestimmte Anwendungen hergestellt und können somit auch gezielt vermieden beziehungsweise ersetzt werden.
Die erfolgreiche Reduktion von F-Gas-Emissionen ist mit natürlichen Kältemitteln sofort erreichbar. Damit könnten die jährlichen CO2-Emissionen um 1,25 Milliarden Tonnen reduziert und damit die globale Klimaerwärmung bis 2100 um bis zu 0,5 Grad Celsius verringert werden. Dies wäre ein bedeutender Anteil zur Erreichung der international vereinbarten Klimaschutzziele und eine große Errungenschaft für unseren Planeten.